Frauen: Verletzt und aggressiv!

Frauen: Verletzt und aggressiv!

Es gibt eine Methode in der Soziologie, die sich immer wieder im Alltag bewährt: Das Zählen. Also selbst viele kleine Statistiken erstellen. Das macht Spaß, schafft Fakten und befördert die Verwunderung.

So wundere ich mich über das Verhältnis von 12:1. Und zwar in folgender Situation: Ich wohne in einer kleinen Gasse und bin angewiesen auf Autofahrer, die mich auf die Hauptstraße einbiegen lassen. In einem Verhältnis von 12:1 sind es Männer, ältere und junge, die mir freundlich diese Vorfahrt gewähren. Ganz selten ist es eine jüngere Frau unter 40 Jahren! Nur eine von 12! Frage ich Freunde, ob sie weibliche Aggressivität im Straßenverkehr ebenfalls bemerken, kommt von gestandenen Leuten: Ja, natürlich, aber das darf man doch nicht kritisieren!

Oder: In der Dresdner Oper stehe ich auf, um vier Personen zu ihren Sitzen durch zu lassen. Drei Männer blicken mich freundlich an und danken, die junge Frau vermeidet demonstrativ den Blickkontakt und rempelt wortlos an mir vorbei.

Ein anderes Szenario: In meinem Sportkurs komme ich seit zwei Monaten in die Umkleidekabine, grüße freundlich, doch alle 15 junge Frauen unter 30 Jahren schauen mich mit leeren, stumpfen Blicken an und grüßen nicht zurück, keine einzige. Gespenstisch!

Auch erzählt eine Ärztin verschämt von einem Besuch bei ihrem Sohn in England. Die deutsche Schwiegertochter bietet ihr noch nicht einmal ein Glas Wasser nach der anstrengenden Reise an, obwohl es keinen Streit und keine Klagen gibt. – Eine ähnliche Situation schildert eine 78jährige Dame: zu Besuch bei ihrer Schwiegertochter, sagt diese ohne Bedauern, da nichts zum Frühstück vorrätig sei, könne sich die Schwiegermutter ja selbst ihre Brötchen kaufen. Abgesehen davon, dass die Gastfreundschaft als eine überlebenswichtige Errungenschaft aller Kulturen hierbei mit Füßen getreten wird, zeigen sich erstaunliche Aggressionen, Zurückweisungen, ja Ausgrenzungen.

Die berüchtigten „Berliner Kampfmütter“, die mit den 1000-Euro teuren Kinderwagen ohne Rücksicht auf Passanten oder Radler durch die Gegend schieben oder beim Bringen und Holen der Kinder vor den Kitas den gesamten Straßenverkehr mit ihren Autos blockieren, sind bereits legendär.

Als Therapeutin frage ich mich, worum jüngere Frauen und Mädchen im Alltag derart aggressiv sind? Ganz abgesehen von dem enormen Anwachsen der weiblichen Aggressionsdelike, die vor Gericht landen.

Die Generation der unter-40-jährigen hat weder im Osten noch im Westen nennenswerte Lebenskatastrophen bewältigen müssen, denn bei der Wende waren sie jung genug, um ins Neue aufzubrechen. Sie wurden gefördert, sie haben vielfältigere Wahlmöglichkeiten als Männer, da sie mit oder ohne diese, ganztags oder halbtags arbeitend Kinder bekommen können und sie haben vielfach tolle Ausbildungen absolviert.
Doch weder die Väter, deren Prinzessinnen sie meist waren, noch ihre Mütter, die sich als ihre Freundinnen mit ständigem Klamottentausch gerierten, haben sie offenbar begrenzt und ihnen zivile Umgangsformen beigebracht.

Warum sind sie derart verwundet, dass sie derart agieren müssen?

Im Zeitalter des Narzissmus sind auch Frauen Zielscheibe von den Perfektionsansprüchen der gesamten Gesellschaft, die jedoch nicht reflektiert werden. Ergo kommt dies zu einer Abkapselung und sie agieren wie trotzige Zweijährige oder zickige, aufgeblasene Vorpubertierende. Hinzu kommt, dass der kollektive Narzissmus Wutausbrüche evoziert, wenn man selbst und wenn die Anderen nicht den Idealvorstellungen entsprechen. Und so wird von den Medien - täglich über viele Stunden – suggeriert, dass es langt, attraktiv und selbstverliebt zu sein.

Auch agieren Perfektionisten auf einer sehr primitiven Ebene, weil sie regrediert sind auf eine vor-zivilisierte Stufe und inszenieren diese versteckte Wahrheit in ihrer Wut, ihrer sprühenden Verachtung, ihrer Arroganz und Ignoranz anderen gegenüber.

Hinter diesen Aggressionen verstecken sich also unbewusste Wünsche nach einer produktiveren Art von Kontakt, den sie aus sich heraus jedoch nicht gestalten können.

Hinzu kommt folgendes Moment: Wer traut sich schon, Frauen zu kritisieren? Die Eltern haben es sträflich versäumt, Männer haben riesige Ängste, irgendetwas an ihnen anzuprangern, denn sofort wird die Keule der Gender-Korrektheit geschwungen. Und die heißt: Frauen sind per se Opfer und sakrosankt, niemand darf ihr Verhalten in Frage stellen. Ein Therapeut spitzt es zu: Frauen haben genauso oft wie Männer Persönlichkeitsstörungen, sind Borderlinerinnen oder narzisstisch schwer gestört, doch diese Pathologien sind gesellschaftlich quasi akzeptiert. Ihre Unbedenklichkeit wird ihnen oftmals sogar amtlich, sprich von Scheidungsrichtern attestiert, da sie selbst mit all diesen schwersten Störungen unbehelligt Kinder aufziehen dürfen.

Ein Tabu kommt hinzu: über handfeste weibliche Gewalt überhaupt nur zu sprechen. 50% aller häuslichen Gewalt in den Industrienationen teilen Frauen aus: Gegen ihre Männer und ihre Kinder. Doch weder die Männer noch die Kinder bringen dieses Schlagen, Boxen, Peitschen zur Anzeige, weil sie sich zutiefst schämen und ihnen sowieso niemand glauben würde. So dass die Gerichts- und Polizeiakten, die nur das Anzeigeverhalten abbilden, eindeutig falsche Zahlen liefern.
Als frauenbewegte Frau habe ich bereits 1999 in der Süddeutschen Zeitung konstatiert, dass wir all dies eigentlich nicht so gewollt hätten. Wir zielten auf Gleichheit und Gleichberechtigung und einen offenen Diskurs, nicht auf vermehrte Zwietracht und die Spaltung der Gesellschaft in neue Opfer und neue Täter, nämlich Frauen als Täterinnen. Und ganz bestimmt nicht auf die Angst, von der Genderfront attackiert und bedroht zu werden, nur weil wir – so wie bei allen Ärgernissen in unserer Gesellschaft – auch mal den Schwestern den Spiegel kritisch vorhalten.