Rezension für MDR-Figaro am 25. November 2007, dem „Tag gegen Gewalt gegen Frauen“: „Das Schwarzbuch zur Lage der Frauen. Eine Bestandsaufnahme“.

„Das Schwarzbuch zur Lage der Frauen. Eine Bestandsaufnahme“. Hgs. von Christine Ockrent, mit einem Vorwort von Maybritt Illner, 621 S., 22.90 Euro, Pendo-Verlag München und Zürich

Der Mensch ist eine Bestie! So war es immer! Wie lange wohl noch? Ich glaube, bis Bürgerrechtler, Feministinnen und andere mutige Menschen, oftmals unter Einsatz ihres Lebens, die Menschenrechte vorangetrieben haben. Und Sie und ich ebenfalls, und sei es, indem wir wirklich hin schauen bei Unrecht. Nicht weg schauen! Und diese mutigen Kämpfer und Kämpferinnen unterstützen.

Natürlich sind Erfolge zu verzeichnen, sensationelle, wertvolle, umwälzende: In Europa gibt es keine Hexenverbrennungen mehr, keine Folter und keine Hinrichtungen. Das ist phantastisch, selbst wenn man nur an die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts denkt.

Trotz aller Fortschritte auch bei uns: Wir leben immer noch in einer Männerwelt. In den Hauptnachrichten des Fernsehens sind z.B. von namentlich genannten Personen nur 22% Frauen - trotz Kanzlerin, zahlreicher deutscher Fernseh-Kommissarinnen und weiblicher Moderatorinnen.

Andere Frauen bei uns sieht man dagegen fast gar nicht: die rund 2 Millionen Dienstmädchen aus Osteuropa, die rechtlos, unterbezahlt und nicht selten ausgebeutet für Kinder und ältere Menschen sorgen, in 24-Stunden-Jobs ohne Privatheit und Rentenversicherungen.

Auch lässt sich feststellen, dass in den USA unter dem Konservativen Georg Bush die mühsam eroberten Frauenrechte zurück gedrängt werden, massiv sogar. In Sachen Sexualaufklärung, Empfängnisverhütung, Abtreibung oder der Ausbildung und verknüpft mit ausgeprägtem Rassismus. Schwarz und weiblich, da bleibt von versprochener und gesetzlich verankerter Gleichwertigkeit wenig übrig!

So weit, so ungleich, selbst in unseren Breitengraden. Ganz anders und katastrophal im Rest der Welt. Je ärmer und religiös fundamentalistischer die Staaten, desto schlechter geht es den Frauen bezogen auf ihre Sicherheit, Unversehrtheit, Freiheit, Würde und Gleichheit, wie dieses Schwarzbuch mit hervorragenden Artikeln von namhaften Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen aufgegliedert ist.

Die Diskriminierung bis hin zur Tötung, ja zum systematischen Mord beginnt immer in der Kindheit oder sogar schon vorgeburtlich. In Indien, Pakistan, Indonesien und China sind bereits 100 Millionen Mädchen vorgeburtlich vernichtet oder nach der Geburt getötet worden, weil sie als „Fehlinvestionen“ gelten. Millionen werden in Afrika beschnitten, ohne Narkose mit Glasscherben oder rostigen Küchenmessern verstümmelt. Viele sterben an diesen brutalen Eingriffen, die ihre Mütter und Grossmütter an ihnen verüben.

Eine andere grauenhafte Facette: Systematische Vergewaltigungen durch Männer. Eingesetzt zur Vernichtung des Feindes, einer ganzen Gesellschaft. Dies ist ein Eingriff auch in die Zukunft, weil die Frauen oftmals qualvoll an Aids sterben und mit den gehassten, aber ausgetragenen Kindern klar kommen müssen. Besonders bitter - so in Ex-Jugoslawien und Ruanda passiert - dass Täter in einigen wenigen Fällen zwar verurteilt wurden, aber im Gefängnis eine Aids-Behandlung bekamen, während ihre Opfer nicht behandelt unter Grauen starben.

Auch in Palästina hat sich die Gewalt gegen Frauen massiv verschärft. Seit vier Jahren leidet die gesamte Bevölkerung unter Ausgangssperren. Zehnköpfige Familien müssen z.B. - weil die Verarmung zunimmt - in zwei Zimmern wohnen. Hinzu kommen Pornografische Sendungen im Fernsehen, die Unmöglichkeit für arme Männern sich zu verheiraten, auch zunehmender religiöser Fanatismus. Mit den Folgen: Immer häufiger werden junge Frauen von Vätern und Brüdern vergewaltigt und anschliessend, wenn sie schwanger sind, getötet, um die Familienehre rein zu halten. - Bekannt werden jährlich 5000 Ehrenmorde in der muslimischen Welt - mit Dunkelziffern, die weit darüber hinaus reichen. Hinrichtungen durch Väter, Mütter, Brüder!

Frauen zu schützen heisst Menschen zu schützen. Dieses Buch soll als „Manifest der Entschlossenheit“ verstanden werden, so wünschen es sich die 30 Frauen und vier Männer, die engagiert und kompetent nicht nur über die bedrückenden Fakten schreiben, sondern auch von positiven Beispielen des Kampfes um die weiblichen Menschenrechte.

Besonders die Kurzporträts von kämpferischen Frauen legen Zeugnis ab von ihrer „wilden Entschlossenheit“ die Welt zu verbessern. Von ihrer Devise, nicht zu jammern, sondern etwas zu tun, sollten wir uns anstecken lassen. Jeder Mensch an seinem eigenen Platz und mit seinen eigenen Fähigkeiten!